Leopold Oakes kam mit 30 Jahren in die Schweiz und spielte bereits nach drei Monaten in einer Band. (Bild: jwy)

Leopold Oakes kam mit 30 Jahren in die Schweiz und spielte bereits nach drei Monaten in einer Band. (Bild: jwy)

Der melancholische Baumaschinen-Führer aus Texas

Kultz, September 2021

Leopold Oakes verliess seine Heimat Houston und fasste in der Luzerner Musikszene Fuss. Nun steht seine Band Laddermen kurz vor der Taufe ihres ersten Albums. Eine Geschichte über Kulturschocks, Zufälle und Sehnsucht nach der Vergangenheit.

Die Biografie von Laddermen klingt wie eine alte Überlieferung. «When a young American, Leopold Oakes, left his land to redefine the concept of home in Switzerland with bittersweet melancholy.» Wer steckt hinter dieser jungen Luzerner Band, die nicht von der Nostalgie lassen kann?

Bevor wir auf die Musik und das bevorstehende Debütalbum von Laddermen zu sprechen kommen, geht’s um oben genannten Herrn, der ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Der sich mit Kaffee und ansteckendem Charme an den Tisch setzt, sein weisses Hemd trotz Hitze bis oben zugeknöpft.

Leopold Oakes, 30 Jahre alt, kam 2017 aus Houston, Texas in die Schweiz. Auf der Suche nach einem neuen Abenteuer landete er bei seiner Tante in Hergiswil, wo er als Baumaschinenführer zu arbeiten begann, obwohl er kein Wort Deutsch sprach (er tut sich noch heute etwas schwer). «Ich wollte das für drei Monate ausprobieren, aber schon nach einem Monat war ich in einer Band», sagt er. Die Rede ist von Visions in Clouds, der Luzerner Indie-Wave-Band, in der er bis vor kurzem Bass spielte. Die Arbeit ermöglichte den Umzug – die Musik behielt ihn hier.

Lost in Texas

Die Millionenmetropole Houston ist die viertgrösste Stadt der USA. Wie erlebte der «City Boy» den Kulturschock in der Innerschweiz? «A huge jump», sei es gewesen, aber ein guter! Er lernte bald die Nähe zur Natur und zu den Bergen schätzen und fasste schnell in der Musikszene Fuss. Vielleicht war es Schicksal, sicher ein schöner Zufall, dass er frisch in der Schweiz angekommen, im Zug als erstes einem Gitarristen begegnete. Es war Claudio Scodeller, der nun bei Ladderman spielt. «Durch die Musik lernte ich alle meine Freunde hier kennen, sie war der Grund, warum ich geblieben bin.»

Das Kleinräumige und Beschauliche halfen ihm. «Im Herzen bin ich noch der gleiche, aber ich habe wichtige Fortschritte gemacht», sagt er. Er kommt auf das texanische Musikmekka Austin zu sprechen, das voller Möglichkeiten, aber auch Ablenkungen steckt. «Das ist anfangs unglaublich toll, aber für mich auch gefährlich, weil man sich komplett verlieren kann.»

Er machte in Texas in seinen frühen Zwanzigern erste Erfahrungen in Hardcore-Bands, spielte Hauskonzerte – aber mehr aus Spass. In Luzern wurde er ausgeglichener, fokussierter und lernte, seine Musik zu professionalisieren. «Ich glaube nicht, dass ich diesen Punkt erreicht hätte, wenn ich in Texas geblieben wäre.» Weil Leopold Oakes als Freelancer für verschiedene Bauunternehmen arbeitet, kann er die Arbeit gezielt zurückschrauben, wenn wie jetzt die Musik im Mittelpunkt steht.

Joy Division und Bach

Als Bassist von Visions in Clouds lernte Oakes die Schweizer Musikszene kennen, ihre Touren führte sie durch Deutschland, Osteuropa und den Balkan. «Ich war anfangs mehr als glücklich, überhaupt in einer Band zu spielen. Die drei Jahre bei Visions in Clouds waren grossartig», sagt er. Aber er wollte weiter – eigene Songs, mehr singen und Gitarre spielen. Also entschied er sich, «the whole ass» seiner neuen Band zu widmen.

Laddermen ist ein veralteter Begriff für Feuerwehrmann. «Er klingt einfach gut, und wer will schon kein antiker Feuerwehrmann sein?», fragt Oakes lachend. «Dark, bitter, sweet», charakterisiert er die Musik. Laddermen bewegen sich auf ähnlichen Pfaden wie seine Vorgängerband – als Referenzen hört man Joy Division, Editors oder Interpol. Musik aus oder inspiriert von den 80ern, von New Wave und Post-Punk.

Darum erstaunt es, wenn Oakes seinen grössten musikalischen Einfluss nennt: Bach. «Er hat fantastische Orgel-Musik, wir lieben das Atmosphärische und versuchen das in unsere Musik zu transportieren», sagt Oakes. Einen riesigen Einfluss auf sein Schaffen habe zudem der schottische Post-Punk – Bands wie The Twilight Sad oder We Were Promised Jetpacks.

Bis alles brennt

Am 2. September taufen Laddermen im Südpol ihr Debütalbum «Special Kind of Violence». Mit drei Singles haben sie bisher auf sich aufmerksam gemacht. Wobei vor allem die jüngste, «Houston Morphine», heraussticht. «Tages Anzeiger»-Musikkritiker Ane Hebeisen fand: «Laddermen sind die Zukunft der aktuellen No-Future-Szene.» Als «gute Mischung aus Rohem und Schönem, aus Kopf und Herz», beschreibt Oakes die Musik. Was ist sein Ziel? «Die Fanbase vergrössern, Konzerte spielen und soweit gehen, bis alles hinter uns brennt und zusammenbricht.»

Bleibt die Frage nach der «bittersweet melancholy». Leopold Oakes spielt mit Sehnsüchten und Stimmungen. Das Dunkle und Traurige sei nicht ohne ironische Zwischentöne zu begreifen. «Letztlich versuchen wir uns schlicht nicht zu ernst zu nehmen», sagt er. Zudem seien sie Geschichtsfans. «Musik ist eine Romanze mit der Vergangenheit, wie ein guter Kostümfilm», sagt er. Ein guter Weg, um eigene Geschichten und persönliche Erlebnisse als historische Fantasie zu tarnen.

Oder wie die Biografie besagt: «Laddermen are forging their way into fans’ lives as a nostalgic remain to ones cherished memories and lost experiences.»

Das Debütalbum «Special Kind of Violence» von Laddermen erscheint am 3. September. Mehr Informationen gibt es auf der Website der Band.