«Integrative Schule ist permanente Aufklärungsarbeit»

Magazin «Bildung Schweiz», Juni 2024

Wie gelingt die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Sonderschulstatus in eine Klasse? Entscheidend ist, dass die beteiligten Lehrpersonen als Team funktionieren. Ganz ohne separierte Einzelbetreuung geht es nicht, wie ein Schulbesuch in Rotkreuz zeigt.

Erjan zieht die Monsterkarte und verwirft die Hände – sieben Felder zurück! Er zählt vorsichtig und setzt seine Spielfigur auf die 54. «Wie heisst die Zahl?», fragt die Lehrerin. Erjan sagt zuerst 45 und korrigiert sich sogleich selbst: 54.

Nun ist Arbian an der Reihe und hat einen Lauf: Er zieht eine Zahlenkarte nach der anderen vom Stapel und zählt fleissig Feld um Feld, die er vorrücken kann – bis auch ihm das Monster in die Quere kommt. Das einfache Spiel hilft den beiden Viertklässlern, sich im Hunderterraum zu orientieren und ist eine willkommene Abwechslung.

Nach dem Spiel ist Konzentration gefragt: Erjan und Arbian lösen Aufgaben im Heft. Sie sitzen in einem separaten Raum, von ihrer Klasse durch eine Glastüre abgetrennt. Diese rechnet nebenan bereits im Millionenraum. «In Mathematik können sich Erjan und Arbian besser konzentrieren, wenn sie im separaten Raum sitzen», sagt Heilpädagogin Sandra Bänziger, die in Risch-Rotkreuz (ZG) in drei Klassen für die Integration zuständig ist. Ansonsten arbeitet sie mit den beiden möglichst oft partizipativ, damit sie Teil der Klasse sind.

In Fächern wie Englisch oder Natur, Mensch und Gesellschaft funktioniert das gut. In Mathematik oder Deutsch hingegen sind die beiden Schüler mit Sonderschulstatus an einem anderen Punkt als die restliche Klasse. Es zeigt sich schnell, dass Erjan und Arbian die enge Betreuung durch die schulische Heilpädagogin brauchen. Nach 15 Minuten selbstständigem Rechnen schwindet die Konzentration. Erjan ist zudem erkältet – das stört ihn. «Sie können sich maximal 30 Minuten konzentrieren», sagt Bänziger.

Da kommt ein Quiz wie gerufen. Zwei Mitschüler haben Fragen zur Klassenlektüre zusammengestellt. Erjan und Arbian haben an ihr Pult im Klassenzimmer gewechselt und sind jetzt Teil des lebhaften Ganzen. Der Sonderstatus wird unsichtbar. «Die Mitschülerinnen und Mitschüler helfen ihnen und unterstützen sie», erläutert Bänziger. Auch wenn die beiden beim Quiz an vielen Fragen scheitern, weil sie das Buch nicht gelesen haben. Das frustriert Erjan, aber auch Scheitern gehört zum Lernprozess: Er wollte es allein probieren.