Franziska Staubli

Franziska Staubli im Keller ihrer Gross-WG.

Zu Hause bei Franziska Staubli

Das Magazin, April 2022

Die Gitarristin, Sängerin und Komponistin Franziska Staubli (34) wohnt mit 30 Mitbewohner*innen in einer selbstverwalteten WG mitten in der Stadt Zürich.

Seit fünf Jahren wohne ich in dieser Gross-WG mitten in der Stadt Zürich, zusammen mit etwa 30 anderen Personen. Es ist gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Es gibt immer wieder Wechsel und wir haben viele Gäste, Freund*innen und Partner*innen, die hier ein- und ausgehen.

Wir sind ein selbstverwaltetes Kollektiv. Jede*r hat ein eigenes Zimmer und übernimmt bestimmte Aufgaben – ich bin für das Giessen der Pflanzen auf allen fünf Stockwerken zuständig. Das Haus hat eine grosse Küche, verschiedene Gemeinschaftsräume, zehn WCs, acht Duschen und eine grosse Dachterrasse. Die einzige Badewanne steht im Keller. Im Keller haben wir zudem eine Bar gebaut, wo wir am Abend oft zusammensitzen, Musik hören und ein Bier trinken.

In diesem Haus treffen Leute mit verschiedensten Lebensentwürfen aufeinander: ältere Mitbewohner*innen, jüngere, Kinder, Lehrer*innen, Buchhalter*innen oder Musiker*innen. Ich fühle mich viel freier als in einem klassischen Wohnmodell. Hier koexistieren so viele Meinungen und Ideen und die gegenseitige Toleranz und Unterstützung ist gross.

Ich habe für meine Band Dalai Puma ein Lied geschrieben: «My Bedroom is an Entire Town». Das Zimmer ist mein Rückzugsort. Das geht trotz – oder vielleicht auch wegen – der vielen Menschen recht gut. Es fällt weniger auf, wenn du dich mal eine Zeit lang nicht zeigst. Sonst ist immer jemand da, um sich auszutauschen. Und es gibt immer feines Essen! Weil ich als Musikerin oft in der Nacht arbeite, frühstücke ich, wenn die Anderen Zmittag kochen. Znacht für alle gibt’s um sieben.

Entgegen dem Klischee des kollektiven Wohnens herrscht hier kein Chaos. Wir sind sehr gut organisiert. Das müssen wir, damit es mit so vielen Leuten funktioniert. Zweimal im Monat findet eine Haussitzung statt, wir haben einen Putzplan und einmal in der Woche kommt eine grosse Essenslieferung. So müssen wir viel weniger einkaufen. Weil wir im Kollektiv viele Ressourcen teilen, bleibt für alle mehr Lebenszeit. In meinem Fall mehr Zeit für Kunst.

Es müsste mehr solche Orte in der Stadt geben, denn die Verdrängung von Wohnraum ist Realität. Wir erhalten immer sehr viele Bewerbungen auf freie Zimmer. Das kreative Biotop überlebt in Zürich nur dank solcher Orte. Andernfalls müsste ich, um meinen Beruf so auszuüben, in eine günstigere Stadt ziehen.

Ich lebe von und für die Musik. Meine wichtigsten Projekte sind die Trios Acid Amazonians und Dalai Puma. Ich mache immer Musik mit einem gesellschaftspolitischen Anspruch – für weniger Diskriminierung und Barrieren, für mehr Wertschätzung und Respekt. Ich bin da ziemlich idealistisch unterwegs.

Eine Zeit lang bin ich fast verzweifelt am Sexismus in der Musikindustrie. Organisationen wie Helvetiarockt, die sich für Frauen in der Musik stark macht, ist zu verdanken, dass das Problem überhaupt sichtbar wurde. Kürzlich wurde ich für mein feministisches Engagement mit dem Preis der Nico-Kaufmann-Stiftung der Stadt Zürich ausgezeichnet – das hat mich sehr gefreut.